Winterdepression / Lichtmangeldepression – mehr als trübe Gedanken bei trüben Wetter!

Dass die dunkle Jahreszeit mit ihren klimatischen Widrigkeiten einen Einfluss auf das Verhalten und die Stimmung hat, steht außer Frage. Wenn man bevorzugt träge vor dem Fernseher rumgammelt und sich zu nichts so recht aufraffen will, wenn man sich missgelaunt durch den Schneematsch quält und schmerzlich die Sonne und die unbeschwerten Stunden im Biergarten vermisst, wird schnell das Wort „Winterdepression“ bemüht (und vergessen, dass man im Sommer allzu oft über die unerträgliche Hitze flucht). Tatsächlich wären diese weitverbreiteten „Symptommuster“ aber bestenfalls eine „subsyndromale“ Ausprägung und eher dem Normalpsychischen zuzuordnen. Erst bei einer wesentlich stärkeren Beeinträchtigung, die mit einem erheblichen Leidensdruck verbunden ist, spricht der Kliniker von einer Winterdepression, „Seasonal affective Disorder“ oder, weil sie eben durch die Dunkelheit verursacht wird, von einer „Lichtmangeldepression“.

Die Symptomatik entspricht weitgehend einer „normalen“ depressiven Stimmungslage, also z.B. gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit und Antriebslosigkeit, Reizbarkeit, Unausgeglichenheit, Libidoverlust, Vernachlässigung sozialer Kontakte und der eigenen Person. Charakteristisch für die Winterdepression ist aber, dass es nicht zu vermindertem Schlaf kommt, sondern dass die Betroffenen vielmehr unter einer anhaltenden Müdigkeit leiden und so das Schlafbedürfnis sehr verstärkt ist, aber der Schlaf dennoch nicht als erholsam erlebt wird. Anders als bei „normalen“ Depressionen ist es bei Betroffenen auch eher nicht der Fall, dass sie unter Appetitlosigkeit leiden und Gewicht verlieren, vielmehr besteht ein vermehrtes Verlangen nach Kohlenhydraten und Süßem was dann eine Gewichtszunahme zur Folge hat (und über das schlechte Gewissen dann auch wieder die Stimmung negativ beeinflusst).

Das entscheidende Merkmal für die Winterdepression ist, naheliegender Weise, dass das Auftreten der depressiven Episoden mit bestimmten Jahreszeiten zusammenhängt. In den meisten Fällen beginnt die depressive Symptomatik im Herbst und endet im Frühjahr, wenn die Tage wieder länger werden, „Herbst-Winter-Depression“ wäre also eigentlich ein passenderer Name.

Um die Diagnose einer Winterdepression zu stellen, müssen zusammenfassend folgende Kriterien vorliegen:

  • Zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Symptomatik und der Jahreszeit Herbst/Winter
  • Vollständiger Symptomrückgang nach Ende des Winters (Frühjahr/Sommer)
  • Die Symptomatik muss mindestens an 2 aufeinanderfolgenden Jahren zur Herbstoder Winterzeit auftreten
  • Die depressive Symptomatik muss die Kriterien einer depressiven Episode (ICD-10) bzw. einer Major Depression (DSM IV) erfüllen.

Was die Häufigkeit dieses Störungsbildes betrifft, wird geschätzt, dass etwa 10% der deutschen Bevölkerung regelmäßig unter der Störung leiden. Frauen sind dabei 4 bis 5mal häufiger betroffen als Männer.

Wie kommt es nun, dass die verminderte Lichteinstrahlung ab Oktober/November bei Menschen in so starkem Maß die Stimmung beeinflussen kann? Als hormonelle Grundlage hierfür wird ein Missverhältnis zwischen den Hormonen Serotonin und Melatonin angesehen.

Serotonin, hat im menschlichen Körper eine Vielzahl von Funktionen. Im zentralen Nervensystem spielt es unter anderem eine wesentliche Rolle für unsere Stimmung. Zumindest bei einem großen Teil von Depressiven kann ein Mangel dieser Substanz in bestimmten Regionen des Gehirns als Ursache für die Stimmungseintrübung angesehen werden, wobei Medikamente entsprechend darauf abzielen, dieses Defizit auszugleichen.

Melatonin wird als wesentlich für die Steuerung des Tag-Nacht-Rhythmus angesehen – es wird dann gebildet, sobald wenig Licht auf die Netzhaut des Auges fällt und wirkt schlaffördernd. Sobald es heller wird, wird die Produktion gestoppt, aber durch längere Dunkelheitsphasen kann sich der Melatoninspiegel in dem Maß erhöhen, dass es zu einer verstärkten Müdigkeit kommt, unter der ja nicht nur Winterdepressive leiden.

Der Zusammenhang zwischen diesen beiden Hormonen besteht nun darin, dass sich Melatonin in der Zirbeldrüse (Epiphyse) des Gehirns aus Serotonin bildet – etwas vereinfacht gesagt: je mehr Melatonin gebildet wird, desto mehr Serotin muss umgewandelt werden, wodurch es zu einem entsprechenden Mangel kommen kann, der sich dann auf die Stimmung niederschlägt.

Natürlich werden diese depressiven Zustände aber zusätzlich auch durch die psychologischen Determinanten beeinflusst werden, wie man sie auch von „regulären“ Depressionen kennt – problematisch wird es, wenn man eine „depressive Abwärtspirale“ gerät, in der sich ausbleibende positive Aktivitäten mit Rückzugsverhalten, negativen Gedanke, also Selbstund Fremdabwertungen, gedrückte Stimmungszustände und körperliche Beschwerden gegenseitig bedingen.

Was hilft nun gegen die Winterdepression?

Naheliegend: Licht! Empfehlenswert ist es, sich, auch bei trübem Wetter viel draußen aufzuhalten, denn normales elektrisches Licht kann das Tageslicht nicht ersetzen. Therapeutisch können auch spezielle Lampen eingesetzt werden, die aber entsprechend hell sein müssen, d.h. mindestens 2500 Lux werden benötigt. Zum Vergleich: eine übliche Bürobeleuchtung hat nur eine Stärke von etwa 800 Lux, wohingegen das Tageslicht auch bei einem bedeckten Wintertag schon eine Stärke von ca. 3500 Lux aufweist. Auch eine Sonnenbank ist kein Ersatz, da das Licht über die Netzhaut aufgenommen werden muss, was bei einer hohen UVStrahlung nun nicht eben empfehlenswert ist. Am Effektivsten ist eine solche Lichtdusche morgens, kurz nach dem Wachwerden.

Ebenfalls hilfreich (und dem gesunden Menschenverstand geschuldet): Viel Bewegung und eine gesunde Ernährung. Beides trägt neben der positiven Selbstbewertung auch zu einem verbesserten Stoffwechsel und einer Regulation der relevanten Botenstoffe bei. Je nach Schweregrad der depressiven Symptomatik, aber über ärztliche Verordnung kann auch eine medikamentöse antidepressive Behandlung notwendig sein, beispielsweise durch hochdosiertes Johanniskraut oder sog. SSRI-Präparate (Selektive SerotoninWiederaufnahme-Hemmer).

Selbstverständlich muss die Diagnose und die entsprechende Behandlung einer saisonal abhängigen Depression fachärztlich erfolgen; differentialdiagnostisch müssen andere Depressionsarten, körperliche und psychische Erkrankungen ausgeschlossen werden, wie auch von Stimmungseintrübungen, die noch dem Normalpsychischen zuzurechnen sind. Nicht zu vergessen ist, dass die Menschen in unseren Breitengeraden jahrtausendelang in viel stärkerem Maß von den jahreszeitlichen Schwankungen abhingen und mit ihnen lebten, als wir es seit der Industrialisierung tun müssen – dass es im Winter zu einer reduziertem Leistungsfähigkeit und damit auch einem verminderten Kalorienverbrauch kam, war insgesamt evolutionär sicherlich sinnvoll – der naheliegende Vergleich zum Winterschlaf bei anderen Säugern hat da durchaus etwas für sich.

Nun, die Tage werden jetzt ja wieder länger und wir wünschen Ihnen allen, ohne größere Stimmungseinbußen noch bis zum baldigen Frühjahr gut durchzuhalten.

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