Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung – manchmal etwas missverstanden

Unternehmen sind seit 2013 verpflichtet, auch Gefährdung am Arbeitsplatz durch psychische Belastung zu beurteilen und durch vorbeugende Maßnahmen Risiken der Gefährdung zu minimieren. Diese gesetzliche Vorgabe trifft bei Unternehmen nicht immer auf große Freude. Gründe dafür sind gewiss auch Unsicherheiten und Missverständnisse, worum es bei der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung genau geht. Missverständnisse wie zum Bespiel, dass mit der Gefährdungsbeurteilung nach psychisch belasteten Menschen gesucht wird oder dass die Gefährdungsbeurteilung „schlafende Hunde weckt“. Beides wird dieser durchaus sinnvollen Präventionsmaßnahme nicht annähernd gerecht!

Ziel der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen ist es, optimale Rahmenbedingungen für Gesundheit, Motivation und Produktivität der Mitarbeiter zu schaffen und krankheitsbedingte Kosten für Unternehmen zu reduzieren.

Warum ist das wichtig für ein Unternehmen:

  • Ein Drittel aller Bundesbürger leidet unter einer klinisch bedeutsamen psychischen Störung.
  • Am häufigsten sind Angststörungen, Depression, psychosomatische Erkrankungen und Sucht.
  • Grund für Arbeitsunfähigkeit: 17% der Fehltage sind durch psychische Erkrankungen bedingt – das bedeutet einen Anstieg um 80% in den letzten 12 Jahren.
  • Psychische Beschwerden sind inzwischen Ursache Nummer eins für Frühverrentungen. Das Durchschnittsalter liegt bei 49 Jahren.
  • 20% aller Erwerbstätigen erleben Burnout-ähnliche Phasen (Erschöpfung!).
  • Eine psychische Erkrankung verursacht im Schnitt knapp 40 Krankheitstage pro Jahr!

Um einem weiteren Missverständnis vorzubeugen: Psychische Belastung macht nicht per se krank!

Mit psychischen Belastungen sind alle erfassbaren Einflüsse gemeint, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken. Ob sich diese Belastungen positiv oder negativ auswirken, hängt dabei von individuellen Faktoren ab.

Gegenstand der Gefährdungsbeurteilung ist die Beurteilung und Gestaltung der Arbeit bzw. der Arbeitsbedingungen und nicht die Beurteilung von einzelnen Beschäftigten oder deren Gesundheit.

Wichtig: Es geht nicht darum, Belastung zu eliminieren, sondern sie so zu justieren, dass eine optimale Leistungsfähigkeit erreicht wird und negative Beanspruchungen minimiert werden.

Der Prozess der Gefährdungsbeurteilung ist vorgegeben und klar strukturiert:

Der Gesetzgeber hat einen Prozess definiert, den jedes Unternehmen regelmäßig durchlaufen sollte. Die Ausgestaltung der einzelnen Prozessschritte kann von den Unternehmen individuell umgesetzt werden:

  1. Festlegen von Arbeitsbereichen und Tätigkeiten,
  2. Ermitteln der Gefährdungen,
  3. Beurteilen der Gefährdungen,
  4. Festlegen konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik,
  5. Durchführung der Maßnahmen,
  6. Überprüfen der Wirksamkeit der Maßnahmen,
  7. Fortschreiben der Gefährdungsbeurteilung (insbesondere Anpassung im Falle geänderter betrieblicher Gegebenheiten § 3 ArbSchG).
    (Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie, GDA, Stand 2011)

Individuelle Umsetzung der Prozessschritte im Unternehmen

Es gibt unterschiedliche Verfahren, wie dieser Prozess umgesetzt werden kann. Dabei sollte zunächst geprüft werden, welche Daten und Informationen im Unternehmen bereits erhoben werden – beispielsweise im Rahmen von Mitarbeiterbefragungen, Arbeitsschutzmaßnahmen oder Gesundheitsentwicklungsdaten – die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung kann auf diesen Daten aufbauen.

Entsprechend der Ressourcen und betriebsbedingter Gegebenheiten kann dann ein Verfahren definiert werden, das am besten zum Unternehmen passt (z.B. Beobachtung am Arbeitsplatz, Mitarbeiterbefragungen oder moderierte Analyseworkshops).

Verantwortlich für die Gefährdungsbeurteilung ist der Arbeitgeber. Für die Methoden gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Die Vorgehensweise soll an die Gegebenheiten des Unternehmens angepasst werden. Hier bietet sich die Chance, „the best way“ für das einzelne Unternehmen zu gestalten!

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