Die Balance zwischen „Work“ und „Life“ – 1. Teil

Das Thema „Work-Life-Balance“, „Life-Domain-Balance“ oder einfach ausgedrückt „im Gleichgewicht sein“ ist sehr vielfältig und kann aus sehr unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Deswegen werden wir uns in diesem Jahr dem Thema mit unterschiedlichen Schwerpunkten widmen, beginnend mit ein paar allgemeinen Reflexionen.

Der Begriff Work-Life-Balance steht für einen Zustand, in dem Arbeits- und Privatleben miteinander in Einklang stehen. Die Balance zwischen diesen beiden Bereichen des Lebens erlaubt es dem Menschen, leistungsfähig, gesund und zufrieden zu sein.

Werden die Ressourcen einer Person im privaten oder im beruflichen Bereich zu stark beansprucht, leidet zwangsläufig der jeweils andere Bereich darunter. Hält die Überlastung an, hat dies negative Folgen für beide Bereiche.

Die Sichtweise, dass die „Freizeit“ zur Regeneration dienen solle, um im Beruf „Vollgas“ geben zu können, greift dabei zu kurz. Der Mensch sollte nicht nur in der Freizeit, sondern auch bei der Arbeit „auftanken“ können. Anerkennung der geleisteten Arbeit, Freiraum für Kreativität, positive soziale Anregungen und Sinnhaftigkeit der Arbeit sind wichtige Faktoren, durch die der berufliche Alltag vom Arbeitnehmer positiv erlebt wird.

Bei der psychologischen Mitarbeiterberatung, die HPC seit mehreren Jahren Arbeitnehmern anbietet, fällt uns auf, dass die Anrufer ganz überwiegend über Belastungen klagen, die außerhalb der Arbeit liegen, so zum Beispiel über Beziehungsoder sonstige familiäre Probleme. Diese schlagen sich im Beruf in Form von reduzierter Leistungsfähigkeit, Überforderung oder sogar in Arbeitsunfähigkeit nieder. Es scheint, als ob vielen Menschen gerade im privaten Bereich die Ressourcen fehlen, um den dortigen Anforderungen (subjektiv) gerecht zu werden.

Arbeitgeber tun gut daran, für ihre Mitarbeiter Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu treffen und ein betriebliches Gesundheitsmanagement zu betreiben. Die Arbeitswelt sollte so „gesund“ wie möglich gestaltet werden. Dazu gehört zum Beispiel, die zeitlichen Anforderungen an die Arbeitnehmer durch Überstunden oder implizit, wie explizit erwartete Erreichbarkeit auch in der Freizeit, zu begrenzen. Bislang scheint dies leider häufig noch nicht der Fall zu sein (siehe z.B. http://www.zeit.de/karriere/beruf/2014-08/work-life-balance-infografik).

Grundsätzlich problematisch ist es, wenn Maßnahmen zur Work-Life-Balance als Mittel betrachtet werden, die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nicht nur zu erhalten, sondern auch immer weiter zu steigern. Wenn der Grundsatz einer permanenten Wachstumserwartung, dazu führt, dass zum Beispiel auf die 100%-Zielerreichung noch einmal 5% für die Zielvorgabe im nächsten Jahr drauf gepackt werden, dann sollten wir uns fragen, mit wie viel Prozent denn eigentlich gerechnet wird! In einem solchen Rahmen besteht die Gefahr, dass Maßnahmen zur Work-Life-Balance lediglich dazu dienen sollen, Zeit- und Energiekontingente der Arbeitnehmer umzuschichten, mit dem Ziel, eine stetig steigende Leistung zu erreichen.

Eine kulturelle Frage ist, wie wir allgemein Leistung beurteilen, bzw. wertschätzen. Wie wird denn ein Mitarbeiter bewertet, der sehr gute Ergebnisse ohne größeren Aufwand erbringt? Wahrscheinlich wird nicht über ihn gedacht, dass er effizient arbeitet, sondern dass er „noch nicht alles aus sich herausgeholt hat“. Sehr gute Ergebnisse, die unter deutlichem Stress erbracht werden, erhalten hingegen mehr Anerkennung. An seine Leistungsgrenze zu gehen, bzw. öfter mal darüber hinaus und möglichst maximalen Ressourceneinsatz zu zeigen, wird zum Wert an sich. „Im Stress zu sein“ gehört zum guten Ton. Am Sonntagmorgen berufliche Emails zu verschicken dient leider in vielen Fällen nicht nur der Sache, sondern auch dem Ansehen.

Ein permanenter hoher Leistungsdruck, der uns daran hindert abzuschalten, ist langfristig ungesund. Ein Patentrezept, wie die Work-Life-Balance herzustellen ist, gibt es nicht. Ein Grundsatz sollte aber jeder für sich reflektieren:

Grundsätzlich entspricht ein Wechsel von Anspannung und Entspannung den körperlichen und psychischen Bedürfnissen des Menschen: Eine Anspannung ohne Entspannung hält der Organismus langfristig nicht aus. Ohne Phasen der Regeneration, der Erholung stellt sich irgendwann Erschöpfung und schließlich ein Zusammenbruch des Systems ein.

Auf der anderen Seite führt aber auch ein Mangel an Anregung bzw. Anspannung langfristig zu einem Zustand des Unwohlseins und birgt Risiken für die Gesundheit („Bore-out“).

Ein gewisses Maß an Stress ist gesund; nur müssen wir tatsächlich balancieren und auf unsere körperlichen und psychischen Signale achten!

Der erste Schritt dazu ist ein achtsamerer Umgang mit sich selbst, die Fähigkeit, die Signale des Organismus überhaupt rechtzeitig wahrzunehmen und richtig zu deuten, welches Ausmaß und auch welche Art von Ent- oder Anspannung man gerade braucht.

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